11-15-2018, 02:58 AM
Ein Blick in die Vergangenheit
Bereits zu Anfang des 21ten Jahrhunderts wurde die Menschheit von terroristischen Anschlägen heimgesucht. Regierungen diskutierten darüber, wie sie dieser Gefahr Herr werden konnten. Schnell wurden Stimmen laut, welche die totale Überwachung forderten. Videokameras auf allen öffentlichen Plätzen, das Recht für Behörden jegliche Form von Korrespondenz zu überwachen, vollkommen gleich, ob ein gerechtfertigter Verdacht bestand oder nicht. Sie argumentierten, dass man diese Gefahr nur eindämmen konnte, wenn man in der Lage war im voraus zu agieren und nicht wie bisher den Tätern hinterher läuft, in der Hoffnung sie irgendwann einmal einholen und gefangen nehmen zu können. Wenn es durch vollständige Überwachung möglich war, derartige Taten zu verhindern, so sollte sie ein legitimes Mittel sein und über den Menschenrechten stehen. Doch der Aufschrei der Menschheit war zu groß, zu laut, als dass eine Regierung es gewagt hätte ihre Pläne so in die Tat umzusetzen, wie sie es gefordert hatten. Aber es hatte sie nie daran gehindert ein Hintertürchen nach dem anderen zu benutzen oder gar Gesetze nach ihrem Willen und Vorstellungen zurecht zu biegen. Ein jedes Land konnte mit gutem Gewissen behaupten, seine Bürger nicht auszuspionieren und dies war keine Lüge, so bezahlten sie doch ihre Nachbarländer, damit sie diese Aufgabe übernahmen. Der Bürger selbst wähnte sich in Sicherheit, vertraute seiner Regierung und merkte nicht wie sie ihm Jahr für Jahr ein Stückchen mehr seiner persönlichen Freiheit nahm. Ein schleichender Prozess und noch war er nicht mehr aufzuhalten.
Vor rund 17 Jahren, vom heutigen Zeitpunkt aus gerechnet, wurde die Welt von einer Gruppe Cyberkrimineller in die schlimmste Wirtschaftskrise aller Zeiten geworfen. Es war ihnen gelungen sich Zugang zu sämtlichen Weltbörsen zu verschaffen, die nun manipulierte Kurse anzeigten. Anfangs kaum wahrnehmbar, kaum auffällig und doch hatte es seine Auswirkungen auf die Wirtschaft. Kein Experte konnte je herausfinden, wie lange sich die Börsen bereits unter Fremdkontrolle befunden hatten, als sie völlig verrückt spielten. Aktien sanken auf einmal ins bodenlose, Panikverkäufe waren die Folge und Währungen und Rohstoffe waren auf einmal kaum noch von Wert. Das Ergebnis war für viele Konzerne und Banken der finanzielle Ruin. Bankrott und hoch verschuldet, unfähig wieder auf die Beine zu kommen. Erneut wurde der Ruf nach strengerer Kontrolle der elektronischen Kommunikation laut. Vergessen waren die Einwürfe die man damals angebracht hatte, dass man nicht einfach ohne einen Grund die Nase in fremde Kommunikation zu stecken hatte.
Schon seit Beginn des Computerzeitalters gibt es Personen, welche sich einen Spaß erlauben und in fremde Systeme eindringen. Die einen taten es, um ihre Freunde zu beeindrucken. Andere taten es um Schwachstellen zu finden und die Firmen darüber zu informieren und andere taten es aus dem Antrieb zu zerstören heraus. Eine Subkultur, deren Ursprünge weit in die Vergangenheit reichen, doch nie war der Schaden den sie anrichteten höher, als in diesen Zeiten. Zeiten, in denen Computer nicht mehr weg zu denken sind. Nichts wird heutzutage mehr schriftlich irgendwo festgehalten. In keinem Büro, keiner Behörde, lassen sich noch Aktenordner finden. Jede Information existiert als Bits und Bytes auf einem digitalen Datenspeicher. Platzsparend gewiss, doch ist diese Aufbewahrungsform wirklich so sicher, wie man immer behauptet? Schon oft wurde von diesen Cyberkriminellen bewiesen, dass keine Information sicher ist, wenn sie sich auf einem Computer befindet. Nicht in einer Welt mit einem derartig dichten Netz. Nicht in einer Welt, in der man behaupten kann, dass jeder Computer mit dem World Wide Web verbunden ist. Man könnte denken, dass die Menschheit aus der Vergangenheit gelernt hätte, doch auch heute noch lassen sich Passwörter finden, die schon zu Zeiten unserer Großeltern als unsicher galten. Ja, es lässt sich nicht leugnen, dass die Technologie große Fortschritte gemacht hat, dass viele neue Verschlüsselungsalgorithmen ihren Weg zur Veröffentlichung gefunden haben, doch so wie sich die Technologie weiter entwickelt hat, so hat sich auch das Können dieser Leute weiter entwickelt. Früher hatte man Angst beim Einkaufen erschossen zu werden, heute muss man um seine Identität, seine Integrität und seine finanzielle Sicherheit fürchten. Ein paar Klicks, ein paar Befehle und schon wird aus einem unbescholtener Bürger ein weltweit gesuchter Strafverbrecher. Manipulation von Datensätzen, Handel mit Identitäten und Informationen – Ein äußerst lukrativer Schwarzmarkt. Einer, der kaum zu kontrollieren ist und der mittlerweile vielen traditionellen illegalen Märkten den Rang abgelaufen hat. Mit nichts lässt sich in einem digitalisierten Zeitalter mehr Geld verdienen, als mit dem Handel von Daten.
Die Menschheit hatte die Wirtschaftskrise überstanden und hatte die strengeren Regeln akzeptieren müssen. Es war ja zum Wohle aller und wer nichts unrechtes tat, der brauchte ja auch nichts zu verbergen. Man könnte beinahe in den Raum stellen, dass dies zum Leitspruch fast jeder Regierung geworden war. Eine Erklärung und Rechtfertigung für jeden Einschnitt in die Privatsphäre, die in den folgenden Jahren umgesetzt wurde. Doch keine der Kontrollen konnte verhindern, dass die Welt nur wenige Jahre später auf ihren Untergang zusteuerte. All die Jahre hatten die Regierungen felsenfest geschworen zusammen zu arbeiten. Einander zu vertrauen. Doch an diesem Tag war von diesem Schwur nichts mehr zu erkennen. Es konnte sich keiner erklären, doch auf einmal befand sich die gesamte Welt im Krieg. Satelliten meldeten ankommende Raketen, die Computer in allen Verteidigungszentralen bestätigten diese Informationen und jedes Land reagierte auf das, was auf den Bildschirmen stand. Nicht ein Land zweifelte an den Informationen die dort zu lesen waren. Sie vertrauen den digitalen Informationen mehr, als ihren eigenen Augen. Mehr als den Informationen der Piloten, die ausgesandt worden waren, die Lage zu überprüfen. Erst in aller letzter Sekunde verschwanden die Kriegsinformationen auf den Bildschirmen, die nun genau das anzeigten, was sie bisher auch angezeigt hatten – Frieden. An diesem Tag änderte sich für die Menschheit alles.
Bereits zwei Jahre nach diesem Vorfall wurde das Projekt 'International Security System for the Benefit of Humanity' ins Leben gerufen. Ein Zusammenschluss unterschiedlicher Länder, mit der Prämisse, für absolute Sicherheit zu sorgen, auf dass sich ein derartiger Vorfall nicht wiederholen konnte. Ein klangvoller Name, der jedoch nichts anderes bedeutete als die totale Überwachung. Der gläserne Mensch. Anfang des 21ten Jahrhunderts noch eine beunruhigende Zukunftsvision, war nun bittere Realität geworden. Der erste Schritt der Angleichung der Länder war die Erschaffung einer gemeinsamen Währung. Man erschuf jedoch keine neue Währung und man gab ihr auch keinen neuen Namen, sondern man griff hier auf die schon seit 2009 existierenden BitCoins zurück. Immerhin repräsentierte diese Währung doch sehr gut den zweiten Schritt des Projekts – Die Abschaffung sämtlichen Bargelds. Münzen und Scheine gehörten der Vergangenheit an und Geld existierte nur noch als eine Ansammlung von Bits und Bytes in einem Computersystem. Verkauft hatte man es den Bürgern als eine Erleichterung, so wären doch elektronische Zahlungsmethoden bereits in der Vergangenheit die beliebtesten gewesen und nebenbei würde es nicht mehr die Geldbörse unnötig schwer machen und die dafür verwendeten Rohstoffe könnten eingespart oder an anderer Stelle eingesetzt werden. Die PR Maschinerie lief auf Hochtouren und irgendwann kam der Punkt, an dem sich die Menschen damit abgefunden hatten, während die Regierungen feierten. Nichts ließ sich einfacher verfolgen, als eine elektronische Transaktion. Bargeldzahlungen waren schon immer schwer überprüfbar gewesen und Geld trug auch leider nie den Namen der Person, die es für illegale Dinge ausgegeben hatte. Jetzt jedoch konnte man genau nachvollziehen, welche Person, zu welchem Zeitpunkt, wie viel Geld, für was ausgegeben hat. Es war äußerst schwer und für den Normalbürger absolut unmöglich eine Transaktion entsprechend zu verschleiern. Ein weiterer Fakt, der dem digitalen Schwarzmarkt in die Hände spielte, denn genau dort saßen Menschen, die über das Können verfügten und es sich gut bezahlen ließen.
Diese Änderungen stellten, wie bereits angemerkt, gerade einmal den Anfang dar. Nur ein dreiviertel Jahr nach Abschaffung des Bargelds, folgte die Einführung eines einheitlichen Ausweises für alle Bewohner eines, dem Projekt angeschlossenen, Lands. Doch dieses kleine elektronische Wunderwerk war mehr als nur eine kleine Plastikkarte, mit der man seine Identität beweisen konnte. Man konnte mit ihr bezahlen, konnte sie seinem Arzt vorlegen oder dem Polizisten bei einer Verkehrskontrolle in die Hand drücken. Diese kleine Plastikkarte ersetzte alle bisherigen Karten und Ausweise. Es war nicht weiter verwunderlich, dass die Menschen auf diese Änderung mit Skepsis reagierten. Eine einzelne kleine Plastikkarte sollte alle anderen ersetzen? Das würde ja bedeuten, dass alle Informationen auf diesen Chip gespeichert waren und was, wenn die Bank auf die Krankenakte zugriff? Oder der Polizist sich heimlich am eigenen Konto bediente? Ein für die Bevölkerung sehr beunruhigender Gedanke, der erst einmal zur Ablehnung dieser Karte führte. Doch ihnen blieb keine andere Wahl, als sie zu akzeptieren oder in ein Land zu ziehen, welches sich nicht dem Projekt angeschlossen hatte. Es gab sie, die letzten Hochburgen, denen das Recht auf persönliche Freiheit wichtiger war, als trügerischer Frieden, doch war es nur eine Frage der Zeit sein, ehe auch sie sich dem Projekt anschließen würden. ISSBH kontrollierte den Welthandel, Handel zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten wurde von den Regierungen unterstützt und Zölle für Ein- oder Ausfuhr existierten nicht. Somit war es wesentlich lukrativer innerhalb des Projektes zu handeln, als mit Nicht-Mitgliedsländer. Diese jedoch waren dazu verdammt enorm hohe Abgaben für den Import oder Export zu leisten, wenn sie mit einem Mitgliedsstaat Handel treiben wollten. Man hatte stets gesagt, dass man kein Land offensiv zu einem Beitritt zwingen würde, aber diese Regulierung war nichts anderes, als ein versteckter Zwang und jeder wusste es.
Wie zuvor bei der Abschaffung des Bargelds, lief auch im Falle des einheitlichen Ausweises die PR Maschinerie auf Hochtouren. Mit perfekt zugeschnittenen Informationen, gezielter Missinformation und Unterschlagung essentiell wichtiger Fakten, wurde auch dieses Mal die Bevölkerung von der neusten Innovation überzeugt. Man versicherte ihnen, dass die Informationen absolut sicher verschlüsselt seien und zwar jede Informationsgruppe für sich. Nur wer einen Schlüssel besäße, wäre in der Lage auf die entsprechenden Informationen zu zugreifen. So würde zum Beispiel ein Arzt lediglich den Schlüssel für die Patienteninformationen besitzen und mit diesem könne er auf keine andere Information zugreifen. Auch ein Polizist hatte nur den Schlüssel für grundlegende Informationen, aber damit würde er nie in Erfahrung bringen können, wie es mit dem Kontostand des Besitzers aussah. Man verbildlichte es ihnen an dem alten Wohnsystem von früher. Man hatte ein Haus, mit vielen unterschiedlichen Wohnungen. Jeder Mieter besaß einen Schlüssel mit dem er die Haustüre aufschließen konnte, aber er konnte damit nicht jede beliebige Wohnung aufschließen, sondern nur eine bestimmte. Viele Bürger blieben weiterhin misstrauisch und sie hatten jedes Recht dazu. Denn was ihnen die Regierungen verschwiegen hatte war, dass es einen Generalschlüssel gab. Einen Schlüssel, mit dem man, von überall aus, auf alle Daten zugreifen konnte, die auf dieser Karte gespeichert waren und dieser Schlüssel befand sich, wie auch nicht anderes zu erwarten, in der Hand einer jeden Regierung. Aber das war nicht die einzige Information, die man den Menschen gezielt verschwiegen hatte. Man hatte ihnen auch verschwiegen, dass sich in der Karte ein weiterer Chip befand. Einer der es möglich machte, den Besitzer der Karte auf bis zu 3 Meter genau zu orten. Man wusste wo die Menschen sich befanden, welche Wege sie gingen, welche Produkte sie einkauften, wo sie einkauften oder welchen Film sie sich im PayTV gekauft hatten. Die Menschen waren für sie ein offenes Buch in dem sie frei nach Belieben lesen konnten. Sie hatten eine Möglichkeit und diese nutzten sie. Nie war es so einfach gewesen, gezielt zugeschnittene Werbung zu produzieren. Die Menschen mit gezielter Missinformation in die gewünschte Richtung zu lenken. Nie war es einfacher gewesen die Menschen zu manipulieren und sie waren es sich nicht einmal bewusst.
Aber es gibt Dinge der Vergangenheit, die sich immer wieder wiederholen und in diesem Falle war es die trügerische Selbstsicherheit der Regierungen, dass die Chipverschlüsselung unknackbar sei. Sie war es nicht, wenn auch es bis heute keiner geschafft hat, sie komplett zu entschlüsseln. Aber das war zu dem Zeitpunkt auch nicht notwendig. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Information über einen existierenden Generalschlüssel in Hackerkreisen und immer mehr Personen versuchten die Verschlüsselung zu knacken. Die Jagd nach dem Generalschlüssel war wie die Jagd nach dem Heiligen Gral. Wer ihn in Händen hielt besaß unvorstellbare Macht. Doch nicht alle hatten ein persönliches oder gar finanzielles Interesse an diesem Wissen. Für Viele war es ein Warnzeichen. Der Hinweis, dass es Zeit war, die Menschen wach zu rütteln. Ihnen die Augen zu öffnen für das, was wirklich um sie herum passierte und so verließ diese Information das dunkle Netzwerk und gelangte an die Öffentlichkeit. Es ging ein entrüsteter Aufschrei durch die Bevölkerung, der jedoch schnell wieder verebbte. Es war den Regierungen einfach gefallen das Wohlwollen der Bürger zu gewinnen, so handelte es sich doch um Hacker, welche diese Information publik gemacht hatten. Hacker waren Cyberkriminelle. Genau solche, wie diejenigen, die damals die Weltwirtschaftskrise verursachten hatten. Die selben Kriminellen, die beinahe die Menschheit vernichtet hätten. Solchen Personen sollte man keinen Glauben schenken, so hätten sie doch nur Böses in ihrem Sinn. Hacker waren nur die ersten gewesen, die sich getraut hatten die Wahrheit auszusprechen. Doch bald schon erhielten sie Unterstützung aus Wirtschaft und Wissenschaft. Sogar aus Regierungsbehörden drang die eine oder andere Stimme an die Öffentlichkeit. Stimmen von Personen, die bei den Bürgern einen hohen Stellenwert einnahmen. Personen, die man nicht mit wenigen Worten unglaubwürdig machen konnte und doch war es genau das, was die Regierung unternahm um den Status Quo zu sichern. Personen der Wirtschaft waren auf einmal in Skandale verwickelt. Wissenschaftler wurden diskreditiert und Personen aus Regierungsbehörden wurden des Landesverrat beschuldigt. Es wurde in der Tat alles getan, um diese Personen unglaubwürdig werden zu lassen und wenn es nicht funktionierte wie beabsichtigt, dann verschwanden diese Personen unter mysteriösen Umstände. Ein paar davon schieden auch durch äußerst tragische Unfälle aus dem Leben. Es war die Zeit, in der die Menschen langsam begannen zu begreifen, was sie diese Sicherheit wirklich kostete. Wie hoch der Preis, den sie dafür zu zahlen hatten, wirklich war. Sie hatten nicht nur die Selbstbestimmung ihres Lebens verloren, sondern auch das Recht ihre Meinung frei äußern zu können. Viele Menschen fragten sich, wie viele Rechte sie sonst noch verloren hatten. Aber kaum einer wagte es noch, seine Meinung in der Öffentlichkeit kund zu tun. Zu groß war die Angst vor dem Monster, welches sie zugelassen hatten, erschaffen zu werden.
Aber die Regierungen wussten genau, dass der Widerstand im Untergrund mit jedem neuen Tag weiter anwuchs. Wussten, dass im Untergrundnetzwerk Informationen geteilt wurden, die ihr Konstrukt zum Einsturz bringen konnte. Dass es nur eine Frage der Zeit war, bis man all ihr dreckigen Geheimnisse gelüftet hätte. Etwas, das unter allen Umständen verhindert werden musste. Man rief eine Spezialeinheit ins Leben, zusammengesetzt aus Koryphäen der unterschiedlichsten Gebiete von Technologie, über Strategie bis hin zu Wissenschaft und Medizin. Es gab kein Mittel, dass ihnen nicht zur Verfügung stand. Kein Gebiet, auf dem sie auf Außenstehende hätten zurückgreifen müssen und kein Gesetz, dass ihnen Steine in den Weg gelegt hätte. Diese Einheit besaß völlige Immunität. Es war die Geburtsstunde von Eden. Ein Zentrum tief unter der Erde, das einzig und alleine dem Zweck diente Widerstand aufzuspüren, zu zerschlagen und wenn nötig zu eliminieren.
